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Nachrufe der Korrespondenten zum Tod von Hans-Joachim Burgert am 30. Januar 2009


Werner Schneider

Professor Burgert befreite die Kunst der abendländischen Kalligrafie von ihrem tradierten Gehabe und prägte sie im Sinne zeitgenössischer Ausdrucksformen. Sein philosophischer Ansatz, gepaart mit künstlerischer Freiheit, beeinflusste die Formwerdung seiner Arbeiten, die sich durch Einmaligkeit und Formenreichtum auszeichneten. Burgert übte großen Einfluss vor allem auf die jüngere Generation aus, namentlich auf die Studenten, denen er einen ungewöhnlichen Zugang zur faszinierenden Formenwelt der Kalligrafie eröffnete. Sein hoher Anspruch an künstlerische Form sollte Ansporn und Verpflichtung sein für den weiteren Ausbau der Berliner Sammlung Kalligrafie.

Thomas Ingmire

I feel great fortune and honor to have met Professor Burgert and to have been asked by him to serve as a correspondent to the Berlin collection.
Professor Burgert‘s life shines as an example of what it means to be an artist. He not only created a diverse and immense body of work, he leaves with us a visionary calligraphic touchstone for everyone interested in pursuing the idea of contemporary calligraphy. He will be sorely missed.

Denise Lach

Hans-Joachim Burgert a toujours fait preuve d’une grande exigence quant au développement de la calligraphie.
Il a en permanence insisté sur la rigueur de la forme et la fidélité au signe.
Ses compétences et son exigence doivent rester une échelle de valeur pour la qualité de la collection.

Helga Ladurner

Prof. Burgert war, als ich im Jahr 1996 erstmals mit der Kalligrafie in Berührung kam, auch in Italien eine anerkannte »Größe«, ein Fixstern sozusagen, an dem sich auszurichten eine große Herausforderung darstellte.
Sein Engagement für die Schrift als »Bild«, sein unbestechliches kritisches Auge, seine Klarheit gaben ein Maß vor.
Es war für mich daher eine große Freude, als er im Sommer 2002 Kontakt zu mir aufnahm.
In all den Jahren haben wir uns geschrieben und ausgetauscht, und als er mich vor zwei Jahren bat, als Korrespondentin Teil des von ihm geplanten »Netzwerkes« zu werden, habe ich ihm versprochen, mich so gut ich kann einzubringen.
Dass wir so bald auf seine Impulse und sein Urteil verzichten müssen, war nicht absehbar - umso größer ist der Wunsch, seinem Auftrag gerecht zu werden.

Benno Aumann

Ein Mensch, der das Zeichen durch die Form Gestalt werden ließ
Meine erste Bekanntschaft mit Hans-Joachim Burgert machte ich, als ich Ende der Siebziger Jahre Reproduktionen aus seinem Buch »Ludus Scribendi« zu sehen bekam. Dadurch wurde meine Leidenschaft für Kalligraphie angeregt und ich versuchte fortan, mehr über sein nur Eingeweihten bekanntes Werk zu erfahren. So richtig gelang mir das aber erst viel später.
In einem Artikel in der amerikanischen Typodesign-Zeitschrift »U & LC« wurde Hans-Joachim Burgert als ein Künstler bezeichnet, der Bücher zur Welt bringt, und zwar buchstäblich von der Idee über die Auswahl der Texte, die Gestaltung der Buchstaben, die Illustration, die Wahl des Papiers, den Druck und schließlich das Buchbinden.
Er vertiefte sich nicht nur in eine Kunstform, sondern widmete sich mehreren. Hans-Joachim Burgert war Designer, Bildhauer, Maler, Graphiker, Musiker, und nicht zuletzt war er Kalligraph. Soweit ich weiß, ist er der einzige, der mit seinem Werk »Schrift als Kalligraphie« eine eigenständige, zeitgemäße Theorie der Kalligraphie entwickelte. Seine darin niedergelegten Überlegungen beeinflußten Kalligraphen auf der ganzen Welt und eröffneten ihnen eine völlig neuen Sicht auf den Umgang mit Buchstaben und Text.
Buchstabenformen und Komposition von Wörtern waren bei ihm nicht kalt und mechanisch; er versuchte vielmehr, Stimmungen auszudrücken, indem er die Buchstaben, das heißt die sichtbaren Symbole so bearbeitete, daß die Form dem Inhalt und der Bedeutung seiner Interpretation der Texte entsprach. Burgerts Feingefühl ließ Buchstabenformen, Bilder und Wörter so verschmelzen, daß sie die Bedeutung des Textes sichtbar und empfindbar machten.
Ich hatte nie das Glück ihn persönlich kennen zu lernen, was ich immer sehr bedauert habe. Unser Kontakt beschränkte sich auf gelegentliche Telefonate und sporadische Briefwechsel. So erfuhr ich auch von der Berliner Sammlung Kalligraphie, die er aufgebaut hat, »um die Welt der Kalligraphie zu beobachten
und zu erfassen, insbesondere vor dem Hintergrund, neue Qualitäten, also auch neue Talente zu entdecken«, wie er mir einmal schrieb.
In einem der letzten Briefe, die ich im Jahr 2007 von ihm erhielt, berichtete er mir von seiner Absicht, zurückzutreten und sein Werk in die Hände von Kalligraphen zu geben, »die sich bereit fänden, die kalligraphische Welt zu beobachten und die neu zu entdeckenden Arbeiten zu ermitteln und die Autoren für die Sammlung zu gewinnen.«
Als dann mit der Ausstellung »Im Zaubergarten der Schrift« der Berliner Sammlung Kalligraphie im vorigen Jahr seine Mühen gekrönt wurden, war er so schwer erkrankt, daß er nicht mehr an der Eröffnung teilnehmen konnte.
Deshalb war es mir auch diesmal nicht vergönnt, ihn zu treffen und alles was ich von diesem ungewöhnlichen Menschen und vielseitigen Künstler weiß, hat er in seinem graphischen Werk hinterlassen. Meine Vorstellung von ihm nährt sich aus den Telefonaten und dem angesprochenen Briefwechsel. Wie ähnlich er als Person dieser Vorstellung war, werde ich nicht mehr erfahren.
Der Schriftsteller und Künstler John Berger schrieb einmal. »Wenn jemand stirbt, hinterläßt er allen, die ihn kannten eine Leere: ein fest umrissener Raum, der für jeden zu Betrauernden anders ausfällt. Die Konturen dieses Raumes umschreiben die Ähnlichkeit eines Menschen … Eine Ähnlichkeit ist etwas, das man unsichtbar zurückläßt.«
In seinem Sinne sollten wir den Konturen folgen und das Unsichtbare mit unseren bescheidenen Mitteln sichtbar werden lassen.